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Antonia Zierer: Wie wird der Staat endlich digital?

Wie der Staat digital werden will – und was ihn dabei bremst

Antonia Zierer: Wie wird der Staat endlich digital?
Antonia Zierer

Wer heute mit dem Staat zu tun hat, erlebt oft noch ein anderes Jahrhundert. Papierformulare, Behördengänge, Warten auf Bescheide per Post: All das gehört nach wie vor zum Alltag – in einem Land, das sich selbst als führende Industrienation versteht. Während digitale Innovationen im privaten Sektor in rasantem Tempo voranschreiten, wirkt die Verwaltung oft wie eine archaische Gegenwelt. Und doch: Langsam, fast unmerklich, beginnt sich etwas zu bewegen.

Eine, die mitten in diesem Spannungsfeld arbeitet, ist Antonia Zierer. Sie ist Geschäftsführerin von byte, der Bayerischen Agentur für Digitales, die seit 2021 als Innovationsmotor der bayerischen Staatsverwaltung fungiert. Mit ihrem Team denkt sie staatliche Abläufe neu, testet KI-Systeme in Pilotprojekten, baut Plattformen und digitale Infrastrukturen. Zierer steht für einen Pragmatismus, der nicht im Klein-Klein versandet, sondern größere Linien verfolgt: „Es geht nicht nur um Technologie, sondern darum, wie wir Verwaltung als Ganzes modernisieren“, sagt sie.

Technologie mit Verantwortung

Ein Symbol für diese neue Haltung ist das Open-Data-Portal des Freistaats Bayern. Es stellt staatlich erhobene Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung – nicht nur für Wissenschaft und Zivilgesellschaft, sondern auch für Start-ups, die auf dieser Grundlage Geschäftsmodelle entwickeln könnten. „Wenn man von Anfang an auf Nutzer hört, auf Verwaltung wie Community, dann funktioniert das auch“, sagt Zierer. Die Plattform wurde mehrfach als bestes Datenportal Deutschlands ausgezeichnet und ist inzwischen auch für andere Bundesländer zur Vorlage geworden.

Noch weiter in die Zukunft weist der Einsatz Künstlicher Intelligenz. In einem Pilotprojekt unterstützt eine KI das Landesamt für Pflege bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse – indem sie eingereichte Dokumente prüft, sortiert und Vollständigkeit erkennt. Entscheidungen trifft weiterhin der Mensch, doch die Entlastung ist spürbar. Zierer sagt: „Die Verwaltung ist da einige Jahre hinter dem, was in der Wirtschaft schon Standard ist. Aber wir holen auf.“

Der nächste Schritt: eine zentrale Förderplattform, die sämtliche Förderungen des Freistaats bündelt und digitalisiert. Anders als beim Open-Data-Portal geht es hier um hochsensible Daten – weshalb das System komplett in staatlicher Hand liegt, betrieben vom IT-Dienstleistungszentrum des Freistaats. Ein Kompromiss zwischen Modernisierung und staatlicher Souveränität.

Fortschritt unter Vorbehalt

Denn Vertrauen bleibt die härteste Währung der Digitalisierung. Bürgerinnen und Bürger müssen sicher sein können, dass ihre Daten nicht missbraucht werden. Nicht alles, was technisch möglich ist, darf auch politisch durchgewunken werden. Gerade deshalb wünscht sich Zierer einen pragmatischeren Umgang mit Datenschutz – nicht im Sinne von Lockerung, sondern von Handhabbarkeit. „Wir brauchen mehr Mut zum Ausprobieren“, sagt sie. Vielleicht in Form regulatorischer Sandkästen, die rechtlich begrenzte Experimentierräume schaffen.

Datenschutz ist wichtig – aber wir brauchen einen pragmatischen Umgang, der Innovation nicht verhindert.

Antonia Zierer

Europaweit ist der Austausch intensiver geworden – mit Dänemark, Estland, Finnland. Man schaut sich Lösungen ab, lernt voneinander, bindet auch Dienstleister aus diesen Ländern ein. Der Wille zur Veränderung ist da, die Blaupausen liegen auf dem Tisch. Und dennoch: Deutschland bleibt ein Land der föderalen Alleingänge. Zierer fordert daher nicht weniger als ein digitales Update für den Föderalismus: „Ich habe ja auch keinen bayerischen Personalausweis, sondern einen bundesweiten. Die digitale Identität sollte dem folgen.“

Der Staat als Dienstleister

Die Vision, die sich daraus ergibt, ist konkret: Ein Staat, der nicht mehr auf Papier wartet, sondern Daten aus Registern direkt abruft. Ein Staat, der proaktiv Angebote macht – wenn Kinder eingeschult werden, wenn ein Umzug ansteht, wenn ein Unternehmen gegründet wird. Ein Staat, der den Menschen Zeit spart, statt sie zu verwalten. Push-Government nennen das Fachleute. Zierer sagt: „Es geht nicht darum, dass eine Maschine entscheidet. Aber sie kann vorbereiten, sortieren, Hinweise geben – und dadurch mehr Raum schaffen für das, worauf es wirklich ankommt.“

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