Zum Inhalt springen

Cecilia Garraffo: Wird KI uns sagen, ob wir allein im Universum sind?

Sternenstaub und Silizium

Cecilia Garraffo: Wird KI uns sagen, ob wir allein im Universum sind?
Cecilia Garraffo (© Enno Kapitza for DLD / Hubert Burda Media)

Seit Jahrhunderten richtet sich der Blick der Menschheit gen Himmel. Radioteleskope tasten das All ab, Sonden durchqueren das Sonnensystem, Observatorien sammeln Licht aus einer Vergangenheit, die Milliarden Jahre zurückliegt. Doch nun hat sich etwas Entscheidendes verändert: Nicht nur unsere Instrumente werden präziser – auch die Art, wie wir diese Daten deuten, befindet sich in einem radikalen Wandel. Nicht mehr nur der Mensch blickt hinaus ins Universum, sondern auch Maschinen tun es – mit einer Aufmerksamkeit, die jenseits menschlicher Intuition liegt.

„Wir bekommen heute mehr astronomische Daten an einem einzigen Tag als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor“, sagt Cecilia Garraffo, Astrophysikerin und Direktorin des AstroAI & EarthAI Institute – ein Forschungsinstitut, das am Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian angesiedelt ist. Dort verbindet sie künstliche Intelligenz mit den großen Fragen der Astrophysik.

Garraffo gehört zu jenen Wissenschaftler:innen, die das alte Handwerk der Sternbeobachtung in eine neue Ära führen – mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Ihre Arbeit beginnt dort, wo klassische Verfahren an ihre Grenzen stoßen: in der Analyse unüberschaubarer Datenmengen und im systematischen Aufspüren des Unbekannten. „Mit herkömmlichen Methoden fanden wir in der Regel nur das, wonach wir gesucht haben. Mit KI können wir nun das finden, von dem wir nicht wussten, dass es existiert“, erklärt sie.

Suche nach Leben in einem Meer von Planeten

Das vielleicht faszinierendste Feld, in dem diese Verbindung von Astrophysik und KI zur Anwendung kommt, ist die Suche nach außerirdischem Leben. Seit 1995 ist bekannt, dass es Planeten außerhalb unseres Sonnensystems gibt – sogenannte Exoplaneten. Inzwischen kennt man mehr als 5.000 bestätigte Exemplare, und die Erkenntnis ist ebenso schlicht wie überwältigend: Planeten sind die Regel, nicht die Ausnahme.

„Die Frage ist nicht mehr, ob es da draußen andere Welten gibt – sondern, ob sie Leben tragen“, sagt Garraffo. Besonders spannend wird diese Frage, wenn es gelingt, sogenannte Biosignaturen in der Atmosphäre dieser Exoplaneten nachzuweisen – Moleküle also, die auf biochemische Prozesse hindeuten könnten. Mit dem James Webb Space Telescope ist es erstmals möglich, solche Signaturen in Lichtmustern zu erkennen. Aber diese Spektraldaten sind komplex – zu viele Variablen, zu viele potenzielle Kombinationen.

An diesem Punkt kommt KI ins Spiel. „Wir nutzen Deep Learning-Modelle, um aus dem Spektrum die Zusammensetzung einer Planetenatmosphäre zurückzuschließen. Das ist ein klassisches inverses Problem – etwas, in dem KI brilliert“, erklärt Garraffo. Der Vorteil: KI kann mit Millionen von Parametern gleichzeitig umgehen und so Kombinationen erkennen, die einem Menschen verborgen blieben.

Und was, wenn wir tatsächlich Leben finden? Garraffo hält es für am wahrscheinlichsten, dass es sich zunächst um mikrobielles Leben handelt – Bakterien, vielleicht andere primitive Lebensformen. „Ich glaube, dass einfache Lebensformen viel häufiger sind als hochentwickelte. Deshalb wird uns der erste Fund wohl eher in dieser Richtung überraschen.“ Doch sie betont auch: Es gibt ernsthafte Forschungsbemühungen, nach technologisch fortgeschrittenen Zivilisationen zu suchen – etwa durch das Aufspüren energetischer Fußabdrücke, sogenannter Dyson-Sphären. Nur: Noch gibt es keine Spur.

Ein neues wissenschaftliches Selbstverständnis

Doch bei aller Euphorie stellt sich auch die Frage: Wenn KI Hypothesen bildet, Muster erkennt, Modelle trainiert – braucht es dann überhaupt noch Menschen in der Forschung?

„Ich glaube, die Rolle von Wissenschaftler:innen verändert sich gerade grundlegend“, sagt Garraffo. „Aber wir sind noch lange nicht überflüssig.“ Denn KI sei bislang vor allem dort stark, wo es um Geschwindigkeit und Mustererkennung geht – nicht dort, wo Intuition, Kontext und Fragestellung gefragt sind. Sie sieht das optimistisch: „Ich selbst will vor allem die Antworten kennen – nicht unbedingt der Mensch sein, der sie findet.“ Und doch, so sagt sie, liege die Verantwortung für den Einsatz dieser Technologien weiterhin beim Menschen. Gerade deshalb sei der interdisziplinäre Austausch so wichtig – in der Wissenschaft, aber auch in der Gesellschaft.

Zwischen den Sternen und den Codes

Dass es neue Wege braucht, um die großen Fragen des Universums zu beantworten, scheint unbestritten. Doch wohin diese Wege führen – das ist offen. Fest steht nur: Ohne die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, von Astrophysik und Künstlicher Intelligenz, wird sich das Bild vom Kosmos nicht mehr schärfen lassen - und genau darüber hat Garraffo auch im Rahmen des DLD Future Hub: Impact of AI in München gesprochen.

Podcast anhören: