Es ist ein Lied, das nicht vergeht. Wenn Peter Freudenthaler durch Städte geht, wenn er auf Bühnen steht oder in Buchhandlungen liest - stets begleitet ihn dieser eine Song, den nahezu jeder mitsingen kann. Lemon Tree war nie nur ein Popsong. Es wurde ein globales Symbol für die Melancholie hinter eingängiger Melodie - für das Gefühl, dass zwischen Langeweile und Weltschmerz manchmal etwas Schönes entsteht.
Dass ein Lied so tief verankert sein kann im kollektiven Gedächtnis, überrascht selbst seinen Schöpfer noch heute. Der Text, sagt Freudenthaler, sei ihm damals wie „aus einem Guss“ gekommen. Es habe sich fast so angefühlt, als sei er nur das Medium gewesen. Und vielleicht liegt genau darin die Kraft: ein Song, der weder kalkuliert noch forciert entstand - sondern einfach da war.
Was danach folgte, war eine Karriere zwischen Rausch und Realität. Der Erfolg traf Fools Garden mit einer Wucht, die schwer zu greifen war - Bambi-Verleihung, Welttourneen, internationale Anerkennung. Und doch blieb der Kern immer gleich und Peter Freudenthaler mittendrin: ein Musiker, der nie vergaß, woher er kam. Aus einem kleinen Dorf bei Pforzheim, mit einer gesunden Portion Ehrfurcht vor den Bühnen der Welt - aber auch mit der Überzeugung, dass Herkunft keine Begrenzung ist, sondern Ausgangspunkt.
Der Klang der Verantwortung
Was bleibt nach über drei Jahrzehnten Karriere, wenn der erste große Hit nie ganz verstummt - und alles, was danach kam, oft im Schatten dieses Erfolgs stand? „Wir sind kein One-Hit-Wonder“, sagt Freudenthaler, „wir sind ein One-Very-Big-Hit-Wonder.“ Es ist diese Mischung aus Ironie, Stolz und Demut, die ihn auszeichnet.
Und es ist eine Haltung, die sich auch in seiner Musik zeigt. Songs wie Those We Lost at Sea, die sich dem Leid Geflüchteter im Mittelmeer widmen, sind leise Mahnungen. Kein moralischer Zeigefinger, sondern ein Versuch, Anteilnahme in Musik zu übersetzen. „Ich bin ein politischer Mensch“, sagt Freudenthaler. Aber einer, der seine Botschaften in Melodien verpackt, nicht in Twitter-Debatten. Einer, der sich mehr um die Wertschätzung des Selbstverständlichen sorgt als um plakative Statements.
Dass uns so vieles verloren geht - nicht nur an Haltung, sondern auch an Wahrnehmung -, sei Teil eines größeren Problems: „Wir haben verlernt, die Dinge wertzuschätzen.“ Streamingdienste, KI-generierte Songs, standardisierte Inhalte: Was für viele die Demokratisierung von Musik bedeutet, ist für ihn auch Ausdruck einer kulturellen Erosion. Und doch glaubt er an eine Gegenbewegung: „Menschen sehnen sich nach Intimität, nach Echtheit - besonders in einer Welt, in der man bald nicht mehr weiß, was real ist.“
Erinnerung als Lebensform
Mit seinem Buch "Mein Leben als Zitronenbaum" hat Freudenthaler ein Projekt begonnen, das zunächst gar nicht für die Öffentlichkeit gedacht war. Er wollte festhalten, was gewesen ist - für seine Kinder, vielleicht für Enkel und Urenkel. Ein Archiv des gelebten Lebens, ein Versuch, die eigene Geschichte zu konservieren, bevor sie sich in Anekdoten auflöst. „Ich dachte oft: Hätte ich so ein Buch von meinen Großeltern - das wäre was gewesen.“
Doch das Schreiben wurde mehr. Es wurde ein Weg zurück zu Momenten, die in der Erinnerung verschwommen waren. Konzerte, Begegnungen, Wendepunkte. Und auch Zweifel - an der Rolle in der Öffentlichkeit, an der eigenen Wirkung. Nicht jeder Song müsse ein Hit sein. Manche seien einfach musikalische Tagebucheinträge.
Songs sind für mich wie Tagebucheinträge – jeder erzählt eine Geschichte, jeder hat seinen Platz.
Peter Freudenthaler
Was von all dem bleibt, ist die Erkenntnis, dass Musik nicht nur Ausdruck ist, sondern auch Verbindung. Ob im Gorki Park mit einem russischen Publikum oder auf kleinen Bühnen in Deutschland - die gemeinsame Melodie, sagt Freudenthaler, sei oft stärker als jede Ideologie. „Wir bestehen zu einem großen Teil aus Wasser. Und Wasser schwingt. Musik bringt uns in Resonanz.“
Seine eigene Resonanz dauert an - auch 30 Jahre nach dem einen Song, der alles veränderte.