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Wie Corporates, Startups und KI gemeinsam Innovation neu definieren

Warum Europa Tempo braucht – und weshalb der industrielle Fortschritt nicht ohne funktionierende Ökosysteme gelingt

Wie Corporates, Startups und KI gemeinsam Innovation neu definieren
Alexander Gerfer, Lamin Ben-Hamdane und Daniel Fürg auf dem 48forward Festival 2025

Innovation entsteht heute dort, wo Geschwindigkeit und Erfahrung aufeinandertreffen. Startups bringen Tempo, Mut und radikale Ideen, Corporates Kapital, globale Strukturen und jahrzehntelanges Wissen. Vor diesem Hintergrund diskutierten Alexander Gerfer (CTO, Würth Elektronik) und Lamin Ben-Hamdane (Head of Startup Co-Innovation, Infineon Technologies) im Rahmen des 48forward Festivals 2025 in der Alten Kongresshalle darüber, wie diese Kräfte sich gegenseitig verstärken – und warum die Industrie ohne funktionierende Partnerschaften kaum in die Zukunft findet.

Gerfer erinnert daran, dass selbst Marktführer einmal klein waren. Seine Firma sei „in einer Garage gestartet“, sagt er, und die Denkweise habe sich bis heute gehalten. Fehler gelten als notwendige Bewegung der Entwicklung: „Fail faster – aber nicht zweimal auf dieselbe Weise.“ Besonders Hardware-Startups stünden unter hohem Druck: Komponenten, Testumgebungen, Labore – alles koste Zeit und Zugang. „Wir wollen Hürden entfernen und Wissen teilen, damit gute Ideen schneller zum Markt finden.“

KI als Hebel – nicht als Selbstzweck

Künstliche Intelligenz verändert die Industrie an mehreren Fronten zugleich. Bei Würth Elektronik soll sie helfen, Wissen zu vermitteln und den zunehmenden Mangel an Ingenieur:innen abzufedern. „Wer liest heute noch ein 80-seitiges Datenblatt?“, fragt Gerfer. KI-gestützte Systeme übernehmen Parameter, analysieren Szenarien und schlagen Konfigurationen vor – ein Werkzeug, um Entwicklungsprozesse radikal zu beschleunigen.

Infineon wiederum sieht seine Zukunft an der „Edge“: KI dort, wo Maschinen arbeiten, nicht in fernen Rechenzentren. „Edge AI ist unser Heimspiel“, sagt Ben-Hamdane. Weniger Energieverbrauch, geringere Latenz, mehr Datenschutz – in Summe ein strategisches Feld, das Europa mit seiner industriellen Basis besonders betrifft.

Gerade der Energiebedarf der KI wird zum zentralen Faktor. Schon eine kleine Effizienzsteigerung in Rechenzentren könne „Energie für zwei Millionen Haushalte“ freisetzen, sagt Gerfer. KI wird so vom Stromfresser zum Optimierungswerkzeug – vorausgesetzt, sie wird intelligent eingesetzt.

Wie Kooperation gelingt – und warum sie oft scheitert

Erfolgreiche Partnerschaft beginnt mit einer realistischen Einschätzung. „Wir müssen überzeugt sein, dass ein Startup erfolgreich sein kann“, sagt Ben-Hamdane. Teamkompetenz, Marktverständnis, Vision – ohne diese Grundlagen geht es nicht. Gleichzeitig braucht es Verständnis für die Abläufe großer Unternehmen: Entscheidungen dauern länger, Projekte konkurrieren miteinander, Prioritäten verschieben sich.

Aus Startup-Perspektive gilt: Klarheit schlägt Tiefe. „Eine Idee muss aus der Vogelperspektive verständlich sein – nicht erst nach 20 Minuten technischen Details“, betont Gerfer. Und: Der Partner muss passen. Wer sich zu früh in ein großes Unternehmen integriert, verliert die Beweglichkeit, die die eigene Stärke ausmacht.

Oft sind es kulturelle Barrieren, die Kooperationen scheitern lassen. Das „Not-invented-here“ ist für Gerfer „ein kompletter Showstopper“. Angst vor Veränderung, vor Kompetenzverschiebung, vor Kontrollverlust – all das kann Innovation blockieren. Funktioniert die Zusammenarbeit jedoch, entsteht die viel zitierte Win-Win-Situation: Corporates erhalten neue Impulse, Startups Zugang zu Märkten, Expertise und Technologien.

Am Anfang stehen Menschen – am Ende Systeme

Europa besitzt eine starke industrielle Basis, aber die globalen Kräfte verschieben sich rasch. Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Chipproduktion, KI – all diese Felder verlangen nach Lösungen, die nur in vernetzten Ökosystemen entstehen. Startups sind dafür unverzichtbar. Corporates ebenso.

Ob Europa dadurch einen Vorteil hat, beantworten die Experten vorsichtig. „Vielleicht, sagt Ben-Hamdane, „aber sicher ist es nicht.“ Es braucht Zusammenarbeit, Geschwindigkeit – und die Bereitschaft, Ideen nicht nur zu entwickeln, sondern auch auszuprobieren.

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